Sorbische Literatur

In Fortführung einer jahrhundertelangen Tradition sorbischer Literatur betreut der Domowina-Verlag Bautzen seit seiner Gründung 1958 fast den gesamten Bereich des in sorbischer Sprache gedruckten Wortes. Heute erscheinen im einzigen sorbischen Verlag jährlich etwa 60 sorbische Bücher, darunter 30 Schulbücher.

Die ersten sorbischen Bücher

Der älteste erhaltene, zusammenhängende Text in sorbischer Sprache und somit der Anfang des sorbischen Schrifttums ist der Bautzener Bürgereid aus dem Jahre 1532, ein Huldigungseid in obersorbischer Sprache. Mikławš Jakubica übertrug 1548 das Neue Testament handschriftlich ins Niedersorbische. Bald darauf folgten erste sorbische Bücher. Als erstes gedrucktes Buch in niedersorbischer Sprache erschien 1574 Albin Mollers Gesangbuch mit Kleinem Katechismus, 1595 folgte die obersorbische Übersetzung von Luthers Kleinem Katechismus. Später folgten erste Grammatiken und Wörterbücher, so erschien 1679 die erste gedruckte obersorbische Sprachlehre von Jakub Xavor Ticin. Dennoch beschränkte sich die sorbische Literatur bis ins 19. Jahrhundert inhaltlich fast ausschließlich auf religiöse Themen, sorbische Bücher erschienen deshalb vorwiegend für den kirchlichen Gebrauch.

Der Anfang moderner sorbischer Literatur

Im 19. Jahrhundert erwachte bei den Sorben ein starkes Nationalbewusstsein, so dass sich langsam eine eigenständige sorbische Literatur entwickelte. Besonders Handrij Zejler (1804–1872) schuf in dieser Zeit unzählige Gedichte, Fabeln und Erzählungen. Zu den Klassikern dieser Periode zählt auch Jakub Bart-Ćišinski (1856–1909) und Mato Kosyk (1853–1940). Ab Mitte des 19. Jahrhunderts nahm auch die Zahl wissenschaftlicher sorbischer Bücher wie Grammatiken und Wörterbücher zu. Vor allem Michał Hórnik (1833–1894) und Arnošt Muka (1854–1932) wirkten bei der Vereinheitlichung der obersorbischen und niedersorbischen Schriftsprache mit.

Erste Förderer sorbischer Literatur

Als der eifrigste Förderer der sorbischen Literatur gilt Jan Arnošt Smoler (1816–1884), nach dem die Verlagsbuchhandlung des Domowina-Verlags benannt ist. Auf seine Anregung wurde 1847 in Bautzen der wissenschaftliche Verein Maćica Serbska gegründet, der seit 1848 die Zeitschrift Časopis Maćicy Serbskeje herausgibt. Seit 1842 erschien die Wochenezeitung Tydźenska Nowina, spätere Zeitung Serbske Nowiny. 1860 trat die belletristische Zeitschrift Łužičan ins Leben, die nach ihrer Verschmelzung mit der Lipa serbska seit 1882 unter dem Titel Łužica erschien. Diese ersten sorbischen Zeitschriften sorgten dafür, dass sorbische Literatur regelmäßig, aktuell und preiswert den sorbischen Lesern vermittelt werden konnte und bildeten eine wichtige Ergänzung zur immer noch geringen Anzahl sorbischer Bücher, die es damals gab.

Neben der Schaffung neuer Werke begann man, mündliche Überlieferungen sorbischer Lieder, Märchen und Sagen zu sammeln und in die Literatur zu übernehmen. Die umfangreichste Sammlung gab Smoler 1843 in 2 Bänden unter dem Titel Volkslieder der Wenden in der Ober- und Niederlausitz heraus. Ein weiterer bedeutender Sammler sorbischer Sagen, Volkslieder und Sprichwörter war Jan Radyserb-Wjela (1822–1907), der außerdem die ersten sorbischen Kinderbücher veröffentlichte.

Sorbische Bücher werden verboten

Die lebendige Entwicklung der sorbischen Literatur fand im Nationalsozialismus ein jähes Ende. Die sorbische Sprache und Kultur wurden unterdrückt, 1937 werden schriftliche Äußerungen und sorbische Bücher verboten. Obwohl sich in dieser Zeit vereinzelt illegale sorbische Literatur verbreitete, war die Entwicklung bis zum Kriegsende praktisch gelähmt.

Sorbische Literatur nach 1945

Nach der Erholung vom Schock des Krieges musste sich die sorbische Literatur im neuen sowjetisch-sozialistischen Kontext orientieren. Dabei war es vor allem die Lyrik, die gegenüber dem Drama und der Prosa schnell die Kontinuität fortsetzte. Mit der Gründung des Domowina-Verlages 1958 wurde eine ausreichende institutionelle Basis für die regelmäßige Herausgabe sorbischer Bücher geschaffen. Die Entwicklung der sorbischen Literatur in dieser Zeit beschreibt Christian Prunitsch ausführlich in seinem Aufsatz Sorbische Literatur nach 1945.

Sorbische Literatur für deutsche Leser

In der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts schrieben sorbische Autoren zunehmend zweisprachig – sorbisch und deutsch. Um auch deutschen Lesern sorbische Literatur nahezubringen, gibt der Domowina-Verlag die Bücherreihe „Die sorbische Bibliothek“ heraus. Darin findet der Leser eine Auswahl sorbischer Literatur in deutscher Sprache.