Cover

Am Ende des Tages

Erzählung
An einem spätherbstlichen Nachmittag des Jahres 1794 wird der 19-jährige George Rietscher, gefesselt an die Seitenleisten eines Leiterwagens, zur Richtstatt gebracht, wo ihn am Ende des Tages der Henker in öffentlicher Schaustellung enthaupten wird. Der Kuhhirt und Brandstifter erinnert sich während der unaufhaltsamen Fahrt an Freuden und Elend, an gestillten Hunger am Schweinetrog, an heimliche Liebesstunden mit Adela, den hinterhältigen Brautraub, den Bänkelsänger, der vom Selbsthelfer Michal Kolas singt, an die Flammen aus eigenem Zunderschwamm.

Beschreibung

Und wir ahnen, in welche Spuren Jurij Koch den aus Archivakten bekannten Rietscher gestellt hat. Ein wunderbar spannendes Stück Literatur.

Leserstimmen zum Buch

»Jurij Koch hat eine Kohlhaas-Geschichte geschrieben, die auf Tatsachen beruht wie die Kleistsche. [...] Bei Kohlhaas, er lebte im 16. Jahrhundert, wie bei George Rietscher aus Horka handelt es sich um historische Figuren. [...] Aber der Leser merkt ziemlich schnell, dass es Jurij Koch nicht alleine um die historische Geschichte geht, wenngleich sie anschaulich über die Lebensumstände der Menschen in diesem alten sorbischen Siedlungsgebiet [...] am Ende des 18. Jahrhunderts geht.« (Renate Marschall)

»Jurij Koch erzählt ohne Pathos, scheinbar auf einfachste Art und Weise, eine Geschichte von Liebe und Betrug vor historischem Hintergrund, die wegen ihres Ausganges und wegen der kargen Sprache ans Herz geht.« (Thomas Bruns)

»Es ist eine schlichte und schöne Erzählung, geschrieben aus der Ich-Perspektive des Verurteilten, verfasst in einer Sprache, die so dicht komponiert und bilderreich ist wie ein Gedicht.« (Felix Johannes Enzian)

»Es ist eine ergreifende, bittere Geschichte, die der sorbische Schriftsteller Jurij Koch im Vergangenheitsdunkel aufgespürt und zu einem spannenden Stück Literatur geformt hat. [...] Geschickt verwebt er das Überlieferte mit den Konkretheiten des Alltagslebens und einer unverwechselbaren Landschaft, was nicht nur innere Wahrheit, sondern auch die Fähigkeit einfühlsamer Erfindung einschließt.« (Rudolf Scholz)

»Jurij Ryćer rekapituliert nicht, sondern denkt, einfach, geradlinig, in Sprüngen auch, naiv–gläubig, ergeben und manchmal auch zornig. Dann spürt man die Kraft, die auch in ihm war und so fürchterlich fehlgeleitet, fehlgezwungen wurde. Der Leser kann es, im Wortsinne, nach- und mitempfinden. Diese emotionale Wirkung ereicht Koch, indem er die Geschichte und die Geschichten des Jurij Ryćer nicht nur aus dessen Sicht, sondern auch in dessen einfacher und zeitgebundener Sprache erzählt.« (Helmut Rychtar)

Leseprobe

Ich

Ich heiße Jurij Ryćer, richtig George Rietscher, einmal so, dann wieder anders, weil das so ist bei uns, einmal wendisch, serski, dann deutsch, němski. Zu Hause nur serski. Ich kann nicht lesen und schreiben, ich muss es nicht können, sagen Vater und Mutter und die Verwandten, was mir aber nicht gefällt, weil ich gern mit den anderen nach Crostwitz, do Chrósćic, in die Schule gelaufen wäre, von Horka aus, z Hórkow horje, rauf auf den Berg, durch Pfarrers Aue, přez fararjec kerki, runter in die Schule und dann wieder zurück nach Hause, wieder auf den Berg, rauf durch dieselbe Aue und runter nach Hause, wo unsere Häuser hocken mit ihren Strohdächern. Und die haben weiße Wände aus Stroh und Lehm und schwarze Balken, die mit Pech bestrichen sind, damit sie länger halten. Und wie es mir gefällt! Und wenn es heiß ist, stinken die Häuser. Und ich wollte in die Schule gehen, weil ich jeden Tag durch Pfarrers Aue gekommen wäre und ich hätte von dort oben unten im Dorf unsere Häuser gesehen. Und gesehen auch schon von Weitem die Leute und das Vieh, das kleine Vieh und das Großvieh in bunten Farben. Aber ich musste auf der anderen Seite Kühe hüten, nach Doberschütz zu, na Dobrošicy won, und Jeßnitz, na Jaseńcu, aber dort nicht zu weit auf die herrschaftlichen Weiden, haben mir die Bauern gesagt, für die ich das Vieh umhergetrieben hab und manchmal in den Wald hinein, wenn das Gras verdorrt war und das Laub noch grün an den Ästen. Dass ich gottbewahre nicht auf Crostwitz zu treiben soll. Pfarrer Zysch hat die weiter weg Liegenden davor gewarnt, durch die Blume von der Kanzel runter, mich mit dem Vieh auf Crostwitz zu zu schicken. Und er hat mir mit Ohrfeigen gedroht, por za wuši, wenn ich mit der Herde auftauche, wo ich mit ihr nicht auftauchen darf. Er soll es mir von den hiesigen Bauern ausrichten, hat er gesagt. Er wird Scherereien bekommen in der Kirche, wenn ich mich mit meinen Kühen auf Crostwitz zu bewegen sollte. Die Kirche muss hören, was die Bauern sagen, und es unters Volk tragen, von der Kanzel runter und bei jeder Gelegenheit, bei der sie mit dem Volk zu tun hat.

Zusatzinformation

ISBN 978-3-7420-2145-8
Sprache des Artikels Deutsch
Bibliografische Angaben 2009
118 S., Hardcover mit Schutzumschlag

Verfügbarkeit: Auf Lager

Lieferzeit (Arbeitstage): 2-3

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inkl. 7% MwSt., zzgl. Versandkosten

Beschreibung

Und wir ahnen, in welche Spuren Jurij Koch den aus Archivakten bekannten Rietscher gestellt hat. Ein wunderbar spannendes Stück Literatur.

Leserstimmen zum Buch

»Jurij Koch hat eine Kohlhaas-Geschichte geschrieben, die auf Tatsachen beruht wie die Kleistsche. [...] Bei Kohlhaas, er lebte im 16. Jahrhundert, wie bei George Rietscher aus Horka handelt es sich um historische Figuren. [...] Aber der Leser merkt ziemlich schnell, dass es Jurij Koch nicht alleine um die historische Geschichte geht, wenngleich sie anschaulich über die Lebensumstände der Menschen in diesem alten sorbischen Siedlungsgebiet [...] am Ende des 18. Jahrhunderts geht.« (Renate Marschall)

»Jurij Koch erzählt ohne Pathos, scheinbar auf einfachste Art und Weise, eine Geschichte von Liebe und Betrug vor historischem Hintergrund, die wegen ihres Ausganges und wegen der kargen Sprache ans Herz geht.« (Thomas Bruns)

»Es ist eine schlichte und schöne Erzählung, geschrieben aus der Ich-Perspektive des Verurteilten, verfasst in einer Sprache, die so dicht komponiert und bilderreich ist wie ein Gedicht.« (Felix Johannes Enzian)

»Es ist eine ergreifende, bittere Geschichte, die der sorbische Schriftsteller Jurij Koch im Vergangenheitsdunkel aufgespürt und zu einem spannenden Stück Literatur geformt hat. [...] Geschickt verwebt er das Überlieferte mit den Konkretheiten des Alltagslebens und einer unverwechselbaren Landschaft, was nicht nur innere Wahrheit, sondern auch die Fähigkeit einfühlsamer Erfindung einschließt.« (Rudolf Scholz)

»Jurij Ryćer rekapituliert nicht, sondern denkt, einfach, geradlinig, in Sprüngen auch, naiv–gläubig, ergeben und manchmal auch zornig. Dann spürt man die Kraft, die auch in ihm war und so fürchterlich fehlgeleitet, fehlgezwungen wurde. Der Leser kann es, im Wortsinne, nach- und mitempfinden. Diese emotionale Wirkung ereicht Koch, indem er die Geschichte und die Geschichten des Jurij Ryćer nicht nur aus dessen Sicht, sondern auch in dessen einfacher und zeitgebundener Sprache erzählt.« (Helmut Rychtar)

Leseprobe

Ich

Ich heiße Jurij Ryćer, richtig George Rietscher, einmal so, dann wieder anders, weil das so ist bei uns, einmal wendisch, serski, dann deutsch, němski. Zu Hause nur serski. Ich kann nicht lesen und schreiben, ich muss es nicht können, sagen Vater und Mutter und die Verwandten, was mir aber nicht gefällt, weil ich gern mit den anderen nach Crostwitz, do Chrósćic, in die Schule gelaufen wäre, von Horka aus, z Hórkow horje, rauf auf den Berg, durch Pfarrers Aue, přez fararjec kerki, runter in die Schule und dann wieder zurück nach Hause, wieder auf den Berg, rauf durch dieselbe Aue und runter nach Hause, wo unsere Häuser hocken mit ihren Strohdächern. Und die haben weiße Wände aus Stroh und Lehm und schwarze Balken, die mit Pech bestrichen sind, damit sie länger halten. Und wie es mir gefällt! Und wenn es heiß ist, stinken die Häuser. Und ich wollte in die Schule gehen, weil ich jeden Tag durch Pfarrers Aue gekommen wäre und ich hätte von dort oben unten im Dorf unsere Häuser gesehen. Und gesehen auch schon von Weitem die Leute und das Vieh, das kleine Vieh und das Großvieh in bunten Farben. Aber ich musste auf der anderen Seite Kühe hüten, nach Doberschütz zu, na Dobrošicy won, und Jeßnitz, na Jaseńcu, aber dort nicht zu weit auf die herrschaftlichen Weiden, haben mir die Bauern gesagt, für die ich das Vieh umhergetrieben hab und manchmal in den Wald hinein, wenn das Gras verdorrt war und das Laub noch grün an den Ästen. Dass ich gottbewahre nicht auf Crostwitz zu treiben soll. Pfarrer Zysch hat die weiter weg Liegenden davor gewarnt, durch die Blume von der Kanzel runter, mich mit dem Vieh auf Crostwitz zu zu schicken. Und er hat mir mit Ohrfeigen gedroht, por za wuši, wenn ich mit der Herde auftauche, wo ich mit ihr nicht auftauchen darf. Er soll es mir von den hiesigen Bauern ausrichten, hat er gesagt. Er wird Scherereien bekommen in der Kirche, wenn ich mich mit meinen Kühen auf Crostwitz zu bewegen sollte. Die Kirche muss hören, was die Bauern sagen, und es unters Volk tragen, von der Kanzel runter und bei jeder Gelegenheit, bei der sie mit dem Volk zu tun hat.

Zusatzinformation

ISBN 978-3-7420-2145-8
Sprache des Artikels Deutsch
Bibliografische Angaben 2009
118 S., Hardcover mit Schutzumschlag