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Die wendische Schiffahrt

Zwei Dramen; Nachwort Walter Koschmal; Reihe »Die sorbische Bibliothek«

In einem Bilderreigen deutsch-sorbischer Historie vom Ende des 19. Jahrhunderts bis nach dem 2. Weltkrieg entfaltet sich in der »Wendischen Schiffahrt« zwischen Fiktion und biografischer Überlieferung die Lebensgeschichte des skurrilen Erfinders Alfons Bauer.


Beschreibung

»Kim Broiler, der halbe Hahn« ein Zwiegeschöpf aus Natur und Technik, gelangt bei seiner Suche nach dem Ursprung des Krähens ans »Ende des Buckels der Welt«.

Leseprobe

Die Wendische Schiffahrt

6.

Die Mädchen. Der Hund. Wockatz. Alfons zehnjährig.

Alfons (rumpelt auf einer Art hölzernem Anti-Fahrrad zur Flurtür herein): Tanten, ich hab wieder was erfunden: das Fahrrad!
Wurscha (unwirsch wegen der Störung): Ach was, das Veloziped ist längst erfunden - schon 1865 wurden in Frankreich 400 Stück verkauft! Und in wenigen Jahren, 1898, wird es von der Firma Waltham Manufacturing in England sogar ein zehnsitziges Fahrrad geben!
Alfons (fährt, wie im folgenden mehrfach, mutwillig im Kreis herum):
Nein, ich hab das Pulver nicht erfunden,
und doch hat es geknallt!
(Da der Gendarm aufmerkt, harmloser weiter:)
Ja, das Fahrrad ist zwar schon erfunden,
aber gerade das Fahrrad, das Fahrrad!
kann man bekanntlich zum zweiten Mal erfinden!
Und schon erfinde ich die Klingel
und da erfinde ich auch das Katzenauge
und ganz beiläufig die Hosenklammer
und die Querstange für den Herrn
und keine Querstange für die Dame
und so weiter wie ich grad Lust hab
und überhaupt macht Fahrrad-Erfinden
erst beim zweiten Mal richtig Spaß!
(Hält, nachdem er einen weiteren Kreis gezogen, knapp vor dem Gendarmen.) Herr Wockatz, ich hab draußen Ihr Fahrrad gesehen. Warum haben Sie keine Schneekette drauf - soll ich Ihnen die Schneekette erfinden? (Fährt, ohne eine Antwort abzuwarten, wieder im Kreis.)
Wurscha (ruft ihn, mit Mühe ernst, zur Ordnung): Alfons!!! (Da Alfons wieder steht, liebenswürdig zum Gendarmen, indem sie ihm einen weiteren Schnaps einschenkt:) Also auf der linken Straßenseite ist unser Franz in Hamburg gefahren, Herr Wockatz?
Wockatz (der sich bei dem Gerumpel die Ohren zugehalten hat, begreift nicht gleich, nickt aber): Jawohl, Frau Wurscha. (Trinkt aus.)
Wurscha (gießt ihm neuen Schnaps ein): Na, dann ist der Hamburger Wachtmeister doch auch auf der linken, der falschen Seite gefahren, daß er so mit dem Franz zusammenstoßen konnte. Und er hatte kein Recht, eine Mark Strafe zu verlangen. Darum war ja der Franz auch mit Recht böse.
Katta (macht das Spiel mit): Immerhin kriegt man für 1,25 Mark schon ein junges Gänschen auf dem Markt!
Wockatz (schaut verdutzt von einer zur anderen, trinkt wie abwesend seinen Schnaps, probiert mit den Händen nach rechts und links - ergebnislos. Schließlich erhebt und strafft er sich): Nun ja, ich sollte ja auch bloß Amtshilfe leisten. Mir kann es doch gleich sein. (Hält unterm eifrigen Nicken der Mädchen sein Glas zum Nachfüllen hin, setzt es schon an, stellt es aber, plötzlich wieder auf seine Amtswürde bedacht, noch einmal ab. Streng:) Wieso ruft ihr euern Hund eigentlich mit dem Namen unserer Majestät des Kaisers, he?
Wurscha: Wir Wenden sprechen mit Katzen und Kühen wendisch, mit Hunden und übrigens auch mit Pferden immer nur deutsch. Und da haben wir unserem Hund der Ehre halber den besten deutschen Namen gegeben.
Katta: Und außerdem sagt unser Hund immer »auch das noch!«, genau wie unser deutscher Kaiser Wilhelm II. in Berlin, als ihm der preußische Gesandte aus Dresden geschrieben hatte, daß den Wenden bei der großen sächsischen Ausstellung im Juli l896 in Dresden ein »besonderes Interesse« entgegengebracht wurde.
Willem Zwo: Auch das noch! Katta (zu Wockatz): Da hören Sie's!
Wockatz (den Schnaps austrinkend und besänftigt zur Tür gehend): Ach so, ich dachte schon, es handle sich hier um eine Majestätsbeleidigung. Na, denn man nichts für ungut und gute Nacht. (Um guten Abgang bemüht:) Und mehr Ruhe bitte ich mir hier aus, künftig! (Ab.)
Wurscha (zu Alfons, bevor sie sich an den Tisch setzt und, wie die übrigen Mädchen, die Arbeit wieder aufnimmt): Du hast vorhin gelauscht draußen,wie? ... Zu keiner Arbeit kommt man bei diesen dauernden Störungen.

Zusatzinformation

ISBN 978-3-7420-1988-2
Sprache des Artikels Deutsch
Bibliografische Angaben 2004
354 S., Hardcover mit Schutzumschlag
Thema Die sorbische Bibliothek

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»Kim Broiler, der halbe Hahn« ein Zwiegeschöpf aus Natur und Technik, gelangt bei seiner Suche nach dem Ursprung des Krähens ans »Ende des Buckels der Welt«.

Leseprobe

Die Wendische Schiffahrt

6.

Die Mädchen. Der Hund. Wockatz. Alfons zehnjährig.

Alfons (rumpelt auf einer Art hölzernem Anti-Fahrrad zur Flurtür herein): Tanten, ich hab wieder was erfunden: das Fahrrad!
Wurscha (unwirsch wegen der Störung): Ach was, das Veloziped ist längst erfunden - schon 1865 wurden in Frankreich 400 Stück verkauft! Und in wenigen Jahren, 1898, wird es von der Firma Waltham Manufacturing in England sogar ein zehnsitziges Fahrrad geben!
Alfons (fährt, wie im folgenden mehrfach, mutwillig im Kreis herum):
Nein, ich hab das Pulver nicht erfunden,
und doch hat es geknallt!
(Da der Gendarm aufmerkt, harmloser weiter:)
Ja, das Fahrrad ist zwar schon erfunden,
aber gerade das Fahrrad, das Fahrrad!
kann man bekanntlich zum zweiten Mal erfinden!
Und schon erfinde ich die Klingel
und da erfinde ich auch das Katzenauge
und ganz beiläufig die Hosenklammer
und die Querstange für den Herrn
und keine Querstange für die Dame
und so weiter wie ich grad Lust hab
und überhaupt macht Fahrrad-Erfinden
erst beim zweiten Mal richtig Spaß!
(Hält, nachdem er einen weiteren Kreis gezogen, knapp vor dem Gendarmen.) Herr Wockatz, ich hab draußen Ihr Fahrrad gesehen. Warum haben Sie keine Schneekette drauf - soll ich Ihnen die Schneekette erfinden? (Fährt, ohne eine Antwort abzuwarten, wieder im Kreis.)
Wurscha (ruft ihn, mit Mühe ernst, zur Ordnung): Alfons!!! (Da Alfons wieder steht, liebenswürdig zum Gendarmen, indem sie ihm einen weiteren Schnaps einschenkt:) Also auf der linken Straßenseite ist unser Franz in Hamburg gefahren, Herr Wockatz?
Wockatz (der sich bei dem Gerumpel die Ohren zugehalten hat, begreift nicht gleich, nickt aber): Jawohl, Frau Wurscha. (Trinkt aus.)
Wurscha (gießt ihm neuen Schnaps ein): Na, dann ist der Hamburger Wachtmeister doch auch auf der linken, der falschen Seite gefahren, daß er so mit dem Franz zusammenstoßen konnte. Und er hatte kein Recht, eine Mark Strafe zu verlangen. Darum war ja der Franz auch mit Recht böse.
Katta (macht das Spiel mit): Immerhin kriegt man für 1,25 Mark schon ein junges Gänschen auf dem Markt!
Wockatz (schaut verdutzt von einer zur anderen, trinkt wie abwesend seinen Schnaps, probiert mit den Händen nach rechts und links - ergebnislos. Schließlich erhebt und strafft er sich): Nun ja, ich sollte ja auch bloß Amtshilfe leisten. Mir kann es doch gleich sein. (Hält unterm eifrigen Nicken der Mädchen sein Glas zum Nachfüllen hin, setzt es schon an, stellt es aber, plötzlich wieder auf seine Amtswürde bedacht, noch einmal ab. Streng:) Wieso ruft ihr euern Hund eigentlich mit dem Namen unserer Majestät des Kaisers, he?
Wurscha: Wir Wenden sprechen mit Katzen und Kühen wendisch, mit Hunden und übrigens auch mit Pferden immer nur deutsch. Und da haben wir unserem Hund der Ehre halber den besten deutschen Namen gegeben.
Katta: Und außerdem sagt unser Hund immer »auch das noch!«, genau wie unser deutscher Kaiser Wilhelm II. in Berlin, als ihm der preußische Gesandte aus Dresden geschrieben hatte, daß den Wenden bei der großen sächsischen Ausstellung im Juli l896 in Dresden ein »besonderes Interesse« entgegengebracht wurde.
Willem Zwo: Auch das noch! Katta (zu Wockatz): Da hören Sie's!
Wockatz (den Schnaps austrinkend und besänftigt zur Tür gehend): Ach so, ich dachte schon, es handle sich hier um eine Majestätsbeleidigung. Na, denn man nichts für ungut und gute Nacht. (Um guten Abgang bemüht:) Und mehr Ruhe bitte ich mir hier aus, künftig! (Ab.)
Wurscha (zu Alfons, bevor sie sich an den Tisch setzt und, wie die übrigen Mädchen, die Arbeit wieder aufnimmt): Du hast vorhin gelauscht draußen,wie? ... Zu keiner Arbeit kommt man bei diesen dauernden Störungen.

Zusatzinformation

ISBN 978-3-7420-1988-2
Sprache des Artikels Deutsch
Bibliografische Angaben 2004
354 S., Hardcover mit Schutzumschlag
Thema Die sorbische Bibliothek